Akustische Grenzflächenwellen als Katalysator der Energiewende

Förderprogramm: BMBF „Förderinitiative Energiespeicher“

Energiespeicher müssen ständig steigenden Anforderungen hinsichtlich Ladedauer, Haltbarkeit und Funktionstüchtigkeit bei schnell wechselndem Energiebedarf genügen. In Hinblick auf die wachsende Bedeutung regenerativer Energieformen bei der Elektrizitätserzeugung wird die Fluktuation von Lade- und Entladevorgängen und damit auch der Wunsch nach einer Verkürzung von Ladezeiten zunehmen. Die Wiederverfügbarkeit und das Alterungsverhalten des Energiespeichers nach einer Stromentnahme wird hauptsächlich von seiner Fähigkeit bestimmt, hohe Strommengen in möglichst kurzer Zeit reversibel aufzunehmen. Die bei der Speicherung von Energie in Batterien ablaufenden chemischen Reaktionen hängen allerdings sehr stark von der Transportgeschwindigkeit an den Elektroden ab, auch hier sorgt die elektrochemische Doppelschicht für eine Verlangsamung des Ladungsträgertransportes. Im Rahmen eines vom BMBF (Förderinitiative Energiespeicher) geförderten Forschungsvorhabens untersucht das ISAT, wie sich die elektrochemischen Transporthemmnisse an den Elektroden von Testakkus durch akustische Grenzflächenwellen aufheben lassen. Ziel des Projektes ist die Entwicklung einer akustischen Zusatzkomponente („Ladezeitbooster“), mit welcher Akkus aus- bzw. nachgerüstet werden können.

Dabei macht man sich zu Nutze, dass auf Elektroden angeregte akustische Grenzflächenwellen eine unmittelbare Wirkung auf die elektrochemische Grenzschicht haben können. Diese Grenzschicht besteht aus adsorbierten Anionen und solvatisierten Ionen. Sobald sich die elektrochemische Doppelschicht ausgebildet hat, kann der Austausch von Ladungsträgern zwischen Elektrolyt und Elektrode nur noch durch Ladungsträgerdiffusion erfolgen. Aufgrund dieser Grenzschicht wird der Transport von Ladungsträgern zur Elektrode gehemmt und somit die elektrochemische Reaktion verlangsamt. Über die Anregung von akustischen Grenzflächenwellen auf der Elektrode kann es gelingen, die elektrochemische Doppelschicht zu durchmischen bzw. aufzubrechen. Hierzu erzeugt man bevorzugt nicht-auskoppelnde evaneszente Grenzflächenwellen  welche an die Grenzfläche Elektrode/Elektrolyt gebunden bleiben. Hierdurch ist es möglich, dass sich die akustische Welle vollständig über die Elektrode ausbreitet. In der elektrochemischen Grenzschicht in Elektrodennähe entstehen auf diese Weise Wirbelströmungen, wodurch die Grenzschicht ausgedünnt und so der Ladungsträgertransport beschleunigt wird.

Simulation des durch Grenzflächenwellen erzeugten akustisches Druckfeld an der Grenzfläche Elektrode/Elektrolyt

Links: Elektrochemische Grenzschicht (blau) in Elektrodennähe. Rechts: Durch Grenzflächenwellen erzeugte akustische Wirbelströmung in der elektrochemischen Grenzschicht

Die Untersuchungen wurden zunächst an handelsüblichen Blei-Schwefelsäurebatterien durchgeführt, da diese zurzeit noch sehr häufig als dezentrale Energiespeicher eingesetzt werden. Zudem verfügen sie über einen vergleichsweise einfachen Aufbau und die in ihnen ablaufenden chemischen Prozesse wurden hinreichend verstanden. Bleibatterien bestehen aus negativen Blei- und positiven Bleioxidplatten, welche durch Separatoren voneinander getrennt sind, als  Elektrolyt fungiert 37%ige Schwefelsäure. Die Elektroden bestehen aus einem Gitternetz. Zur systematischen Untersuchung des Einflusses von Grenzflächenwellen auf die Ladezeit von Bleiakkus wurde ein teilautomatisierter Prüfstand zur Durchführung definierter Lade- und Entladezyklen mit und ohne Schalleinkopplung aufgebaut. Die mit diesem Prüfstand erzielten Ergebnisse zeigen, dass auch auf den Bleielektroden eine Anregung von Grenzflächenwellen möglich ist – trotz der gitterförmigen Elektroden breiten sich die Oberflächenwellen über die gesamte Elektrode aus, was mittels Laserdopplervibrometer gemessen werden kann.

Vergleicht man die Ladekurven eines Bleiakkus ohne Anregung von Grenzflächenwellen auf den Elektroden mit Versuchen, bei welchen Grenzflächenwellen angeregt werden, so lässt sich ein sichtbarer Einfluss auf die Ladekurve feststellen. Bisher können die Ladezeiten um bis zu 10% reduziert werden (Abbildung 13). Denkbar ist eine Verkürzung der Ladezeit um rund 25% durch weitere Optimierungsschritte. Aktuell arbeitet das ISAT zudem an dem Aufbau und der Inbetriebnahme einer Redox-Flow-Zelle und möchte die bisher gewonnenen Erkenntnisse auf diesen innovativen Energiespeicher der Zukunft übertragen.